Vater - Tragikomödie von Florian Zeller

09.03.2021, 20:00 Uhr

Foto/Bild von reservix

Nahezu jede/r ist wohl im Verwandten- oder Bekanntenkreis von Demenz betroffen; und eigentlich ist es schwer vorstellbar, mit einem derartigen Thema auch noch im Theater konfrontiert zu werden.
Der Autor Florian Zeller hat jedoch das Stück als Tragikomödie mit einer ungewöhnlichen Sichtweise inszeniert: Die normale Sichtweise ist die, dass ein Dementer sich darüber beklagt, dass z.B. das Zimmer umgeräumt wurde, was mitnichten der Fall ist und daher zu abwinkenden Reaktionen führt. Auf der Bühne jedoch ist das Zimmer dann tatsächlich umgeräumt, und so wird die Sichtweise des Dementen in den Mittelpunkt gestellt. Solche Momente zeigen gleichzeitig das Tragische wie das Komödiantische des Stücks auf.
Der 80jährige André merkt, dass sich etwas verändert. Noch lebt er allein in seiner Pariser Wohnung und versucht, vor Anne, seiner älteren Tochter, den Eindruck aufrecht zu erhalten, alles sei in Ordnung. Dabei ist ganz offensichtlich, dass er allein nicht mehr zurechtkommen kann. Also organisiert sie für ihn Pflegehilfen, mit denen er sich aber ständig zerstreitet. Ein alter Mann, für den sich der Alltag mehr und mehr in ein verwirrendes Labyrinth verwandelt, auf der Spurensuche nach sich selbst. Weil seine Wahrnehmung sich immer mehr verschiebt, gerät er in eine Welt, in der seine Biografie nicht mehr gilt, weil die Welt, in der sie entstanden ist, am Verlöschen ist...
Durch die Verschiebung der Sichtweise des französischen Erfolgsautors Zeller wird der Zuschauer emotional an die Hauptperson gebunden, erlebt mit ihr dieselben Momente des Glücks, teilt mit ihr die Momente des Ausgeliefertseins, erfährt mit ihr die unbegreifbare Veränderung von Personen und Dingen und kann wie sie immer weniger unterscheiden: Was ist Realität, was Wahn oder Wunschvorstellung, was Halluzination oder fixe Idee. Nicht die Krankheit steht im Mittelpunkt, sondern Andrés Versuch, dem ihn beunruhigenden Prozess der Verwirrung zu entkommen; und so verstummt das Gelächter über Andrés Eigensinn und Wutausbrüche sofort, wenn man begreift: Dieser Mensch kämpft um seine Selbstachtung. Er ist nur deshalb diese unberechenbare, aggressive Nervensäge, weil er versucht, seine Angst vor der fortschreitenden Hilflosigkeit zu verbergen. Die tragikomische Gratwanderung endet erst mit dem Schlussbild, dessen nachhaltig beklemmender Wirkung man sich nicht entziehen kann.

Foto: Bernd Boehner

Location:
Stadthalle Beverungen
Kolpingstraße 5
37688 Beverungen

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